Nauturheilpraxis Brigitte Vogt

Chronische Borreliose & Co.

Von Brigitte Vogt
Erschienen in der Fachzeitschrift wir.Heilpraktiker April 2019 und in Co.med Juli und August 2019

In den vergangenen Jahren habe ich in meiner Praxis, in der ich seit über 20 Jahren tätig bin, zunehmend Patienten, deren Symptome auf bakterielle Infektionen wie Borreliose, Chlamydiose etc. zurückzuführen sind. Kollegen und Ärzte bestätigten mir diese Erfahrung. Dieser Artikel soll aufklären helfen und einen Überblick über die Infektionswege, die Auswirkungen im Körper und Therapiehinweise geben. Falschen Vorstellungen und Halbwissen möchte ich damit ebenfalls begegnen.

Seit über 100 Millionen Jahren existieren Borrelien und auch die Arthropoden (Gliederfüßer), die im Zusammenhang mit Übertragungswegen meist genannt werden: Die Zecken. Auch im Mann aus dem Eis „Ötzi“ wurden Borrelien gefunden. (1) Zecken und Borrelien leben in Symbiose miteinander, d.h. sie profitieren gegenseitig voneinander. Die Zecken werden bei Befall durch Borrelien schneller und agiler, trocknen nicht so schnell aus und leben länger von ihren Fettreserven. Das steigert ihren Überlebenszeitraum bis zur nächsten Blutmahlzeit und sie tragen dafür durch den Stich von Vögeln, Reptilien und Säugetieren zur Verbreitung der Borrelien bei. (2)

Die Borrelien gehören zu den schraubenförmigen Spirochäten, nutzen u.a. die Zecken als Reservoir und bestimmen mit, welches Lebewesen von der Zecke gestochen wird. Nämlich die, bei dem sich die Borrelien die besten Überlebensvorteile versprechen. Bei Menschen ist auch bekannt, dass einige von Insekten bevorzugt gestochen werden und andere eher selten. Und speziell bei Tieren kommt eine Zecke selten allein. Im Schnitt sollen sich ca. 60 Nymphen an jeder Maus und ca. 50 adulte Zecken an Rotwild befinden.(3) Ein hiesiger Jäger bestätigte mir, dass er an kranken und schwachen Rehen massenhaft, an gesunden und kräftigen Tieren auch viele aber deutlich weniger Zecken finde. Laut Buhner sind sind es oft auch Larven, Nymphen und adulte Zecken gleichzeitig. Das ist wichtig zu wissen für die Übertragungswege, denn so werden bisher noch nicht infizierte Larven auch infektiös.

Meist schlüpfen im Sommer aus den (manchmal schon infizierten) Eiern der adulten Zecken die Larven. Sie sind winzig, so groß wie ein i-Punkt und werden schnell übersehen. Nach einer Blutmahlzeit häuten sie sich und die Nymphen, die daraus entstehen sind dann immerhin schon mal Stecknadelkopf groß. Sie bevorzugen zum Stechen (Hauptzeit Spätsommer) Hautfalten oder behaarte Körperregionen, so dass auch sie nicht unbedingt wahrgenommen werden. Nach der erneuten Blutmahlzeit und einer weiteren Häutung entsteht dann die adulte Zecke, die sich noch im Spätherbst oder auch bis ins Frühjahr hinein mit Blut versorgt. (4) Mit dem Weihnachtsbaum können auch Zecken ins Wohnzimmer gelangen, die dann durch die Wärme agil werden. Es gibt tatsächlich auch Infektionen im Winter!

Leider wird immer wieder behauptet, dass die Infektion von der Dauer des Saugaktes abhängt und Zecken, die sehr schnell entfernt werden, keine Bakterien übertragen. Leider reichen manchmal schon 10 Minuten! Das liegt an Folgendem: Die Zecken saugen sich nicht immer nur an einem Wirt voll. Sie lassen sich nach einem Teil der Blutmahlzeit abfallen und suchen sich einen neuen Wirt für einen weiteren „Schluck“. (5) Da sich aber die Borrelien, die im Darm der Zecke mit erstem Blut Kontakt hatten, stark vermehren und verändern, brauchen sie für den Weg in den nächsten Wirt nicht mehr lang!

Außerdem befinden sich immer einige Spirochäten im Speichel der Zecke. Diese analysieren das aufgenommene Blut und verändern die Anordnung der verfügbaren Gensegmente so, dass sie das Immunsystem des Wirts umprogrammieren können. (6) Auch im menschlichen Speichel leben Spirochäten! Und so kann durch Speichelkontakt Borreliose weitergegeben werden. (7) Normalerweise liegen die Spirochäten als apathogene Form vor. Bei Zahnärzten sind die Biofilme gefürchtet, die u.a. Treponemen enthalten und Parodontitis auslösen können. Die Angina Plaut Vincenti wird ebenfalls durch Spirochäten verursacht.

Gelangen die Borrelien in den Körper, „kriechen“ sie an den Gefäßwänden lang (vor allem in Kapillaren und kleinen Venen) und besiedeln als erstes den Verdauungstrakt und die Blase. Als Persisterform (s.u.) werden sie samt Biofilm mit Fäkalien und Urin ausgeschieden und von z.B. Weidetieren mit den Pflanzen wieder aufgenommen. Als Persister sollen sie mehr als 2 Jahre überlebensfähig sein.(8) Selbst Vaginalsekret und Samen bei Infizierten enthalten bakterielle Formen und könnten einen immunschwachen Partner infizieren.(9)

Aber Borrelien und Co. werden nicht nur durch Zecken übertragen. Auch andere Arthropoden (Moskitos, Mücken, Stechfliegen, Bremsen, Flöhe etc. alles, was sticht und saugt) überträgt möglicherweise Erreger aus dem Blut des zuvor Gestochenen bzw. eigene Erreger und eben auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch und zwischen Mensch und seinem Haustier ist möglich.

Borrelien gehören neben Treponemen, Leptospiren und Brachyspiren zu den Spirochäten – gramnegative Bakterien. Sie sind in vielfältiger Form ungewöhnlicher als andere Bakterien. Sie besitzen das komplexeste Genom aller Bakterien, eine doppelte Zellwand und können die äußere abwerfen. Dadurch fehlen dann die Merkmale, durch die die Bakterien vom Immunsystem leichter erkannt werden können und auch einzelne Antibiotika werden dadurch nutzlos. Sie vermehren sich deutlich langsamer als viele andere Bakterien (ca. alle 8 – 12 Std.) und verändern mit jeder Generation etwas ihre Struktur. Auf diese Weise hat der Infizierte bei länger bestehender Infektion einen ganzen Cocktail leicht verschiedener Bakterien, was dann die Labordiagnostik und die Therapie erschwert. Sie sind extrem mobil, doppelt so schnell wie neutrophile Granulozyten und extrem veränderungsfähig, um sich dem Milieu des Wirtes optimal anzupassen. Das versetzt sie in die Lage, mehrere Antibiosen zu überstehen. (10)

Im Gegensatz zu anderen Bakterien, die Eisen benötigen, nutzen die Borrelien vor allem auch Mangan für ihren Stoffwechsel.(11) Mangan ist eines der Spurenelemente, die der Körper selbst zur Produktion der SOD (Superoxid-Dismutase) benötigt, die Teil des Antioxidations-Systems des Körpers ist und entzündungshemmend wirkt. (12)

Zement im Zeckenspeichel hilft der Zecke beim Anheften und dichtet auch die Bissstelle ab. Wenn die Zecke sich ablöst, verbleibt der Zement auf der Haut – samt infektiösen Fäkalien, die sie beim Saugakt permanent ausscheidet. Wenn es dann zu Juckreiz kommt und der Wirt sich kratzt, gelangen über die Wunde Bakterien in die Haut. Deshalb sollte die Stichstelle nach dem vorsichtigen Entfernen der Zecke desinfiziert werden! (13) Sehr gut geeignet ist dafür Manukahonig (z.B. Activon) oder auch Andrographis-Tinktur. Mit dem Zeckenspeichel gelangen weitere Substanzen in den Wirt, die die Aktivität von verschiedensten Abwehrzellen hemmen und die Zytokinantwort des Immunsystems so verändern, dass die Bakterien einen Überlebensvorteil bekommen.(14) Je stärker die Immunreaktion des Wirtes, umso weniger kann sich die Zecke anheften und fressen und umso geringer ist die Gefahr einer krankmachenden Infektion! Ein starkes Immunsystem wird mit einzelnen Bakterien problemlos fertig! Das ist die beste Prophylaxe und daher muss dieser Aspekt bei der Therapie mit berücksichtigt werden.

Und dazu kommen dann noch die Koinfektionen (s.u.). Laut Angabe vom Labor Arminlabs in Augsburg haben 86 % der positiv getesteten Patienten auch positiv auf Chlamydien getestet. (15) Wie Frau Dr. Petra Hopf-Seidel berichtet (16), wurden im Darm einer einzigen Zecke schon 30 verschiedene Erreger gefunden: Bakterien, Pilze, Einzeller, Viren und selbst Fadenwürmer. Je mehr unterschiedliche Erreger gleichzeitig unser Immunsystem herausfordern, umso schwieriger wird es mit der Infektion fertig werden können. Und jeder Erreger hat seine eigene Strategie, wie und wo er im Wirt am besten überleben kann.

Das Zielgewebe der Borrelien ist das Kollagengewebe des Körpers. Da es sich überall im Körper befindet, kann im Prinzip jedes Organ bzw. jede Struktur befallen werden, z.B. Gelenke, Herzgewebe, Hirnhaut, Haut, im Gehirn die Endothel- u. Epithelzellen, Nerven- und Gliazellen und selbst das Kammerwasser der Augen kann betroffen sein. Die Bakterie heftet sich am Kollagengewebe an, löst etwas davon auf und ernährt sich von den dadurch freigesetzten Nährstoffen. Selbst wenn die Bakterien vernichtet worden sind, können Adhäsine, mit denen sich die Bakterien angeheftet hatten, am Gewebe verbleiben und so eine scheinbare „Auto“-Immunreaktion auslösen. Neben den Adhäsinen lösen auch Bakterienfragmente oder die Gewebeschädigung selbst durch die vorangegangene Infektion dieses „Post-Lyme-Syndrom“ aus. (17)

Innerhalb von wenigen Minuten nach der Infektion beginnen die Veränderungen des Immunsystems, die letztendlich neurologische, arthritische, muskuläre, endokrine, emotionale und kognitive Symptome bewirken können. Mit dem bloßen Bekämpfen der Bakterien, z.B. mit Antibiosen allein ist es deshalb vor allem bei chronischen Infektionen nicht getan. Das Ziel der Behandlung neben der antibakteriellen Medikation muss sein, dass Toxine ausgeleitet, die Zytokine moduliert und damit das dysfunktionale Immunsystem verbessert wird. Zudem sollte dem Körper geholfen werden, die betroffenen Strukturen zu regenerieren. Leider habe ich in meiner Praxis beobachtet, dass es nicht selten durch die Borreliose zur Reaktivierung alter, nicht ausgeheilter Infektionen kommt, z.B. Virusinfektionen der Herpesgruppe. Eine Standard-Therapie, die für alle Betroffenen gleich ist, kann es also nicht geben. Die Mikroorganismen treffen auf einzigartige Individuen und so muss auch eine Therapie aussehen, wenn sie erfolgreich sein soll.

Bisher werden über 20 verschieden Borrelienarten mit verschiedenen Stämmen unterschieden. (18) Forscher entdecken immer noch wieder neue Arten. Und jede Art hat ihr eigenes Zielgebiet im Körper, wo sie Schaden anrichtet und Symptome auslöst, d.h. die eine Art „liebt“ das Herzgewebe, eine andere das Nervengewebe und wieder andere die Gelenke oder Sehnenansätze.

1981 identifizierte Dr. Wilhelm Burgdorfer die Borrelienart, die in dem Städtchen Lyme arthritische Symptome auslöste und seinen Namen bekam: Borrelia burgdorferi. Auch einige andere Arten verursachen die „Lyme-Krankheit“ (LB), z.B. Borrelia afzelii und B. garinii. Diese Gruppe der Lyme-Borrelien verursachen gerne neurologische Symptome. Sie lösen die Myelinschicht an, um an Nährstoffe zu gelangen. Letztendlich können sie sehr viele komplexe Erkrankungen nachahmen. Und die Lyme-Arthritis wandert oft durch den Körper. Immer wieder sind andere Gelenke betroffen, oft symmetrisch, und die Schmerzen sind nachts meist schlimmer als tagsüber.

Zu Beginn entstehen eher unspezifische Symptome durch die Reaktion des Immunsystems: Unwohlsein, Frösteln, Kopf- und Muskelschmerz, Erschöpfung, Schwäche. Das Erythema migrans (EM), die Wanderröte, wird nur von bestimmten Genotypen ausgelöst, und findet sich bei ca. 30 % der Erkrankten. Es beweist immer die Infektion, aber ein Ausbleiben bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass keine Infektion stattgefunden hat! Manche Infizierten haben kaum Allgemeinsymptome, dafür aber gleich neurologische Probleme, wie plötzlicher Hörverlust, Gangunsicherheiten etc.

Eine andere Gruppe von Borrelien-Arten verursacht eine Rückfallfieber-Erkrankung (RB). (19) Zu diesen gehören u.a. B. recurrentis und B. duttonii. Die Patienten leiden an ca. wöchentlichen Fieberschüben, die je nach Zustand des Immunsystems ganz leicht aber auch heftig ausfallen können. Manche beschreiben es als Hitzegefühl oder gerötete Wangen, als wenn Fieber kommen wolle. Bei Rückfallfieber-Arten ist die Toxin-Ausleitung besonders wichtig! Und erst recht bei Antibiosen, die sonst schwere Herxheimer-Reaktionen auslösen können. An Beschwerden schildern die Patienten z.B. Karditis, Erbrechen, Durchfall, Schlafstörungen, Milzschwächung, Fehlgeburten, Unterleibsschmerzen.

Auch hierbei gibt es die unterschiedlichsten Symptome, die nicht sofort an Borreliose denken lassen. Ich werde immer hellhörig, wenn die Patienten ihre Beschwerden als intermittierend in mehr oder weniger großen Intervallen beschreiben - eine Woche bis zu 4 bis 6 Wochen.

Bei chronischer Borreliose finden sich bei 99% der Betroffenen Leistungsverlust, 90% klagen über Müdigkeit, 78% über Nackenschmerzen, 76% über Schulterschmerzen, 75% über zeitweise auftretende Kopfschmerzen und Schwindel, 68% über wandernde Gelenkschmerzen und 62% über allgemeine Schwäche. (20)

Die Veränderungen im Zytokinmuster sind bei den beiden Borrelien-Gruppen LB und RB laut Buhner unterschiedlich. (21) Interleukin (IL) 10 z.B. ist bei RB eher niedrig, bei LB eher hoch. Pflanzen wie Withania somnifera (Winterkirschenwurzel) wirken hier modulierend.

Die Diagnostik der Borreliose ist sehr schwierig. Ein Erythema migrans ist immer beweisend für eine Infektion, tritt aber wie gesagt, nur zu ca. 30 % auf. Die IgM-Antikörper steigen (wenn überhaupt) erst nach ca. 3 - 4 Wochen an, die IgG-Antikörper noch viel später, wenn es für die Soforttherapie längst zu spät ist. Vermutlich bilden nur ca. 30 – 40 % der Betroffenen Antikörper. Das bedeutet, dass 60 – 70 % unerkannt bleiben! Leider bezahlen die Krankenkassen aber nur die Antikörper-Bestimmung. Wenn diese positiv ausfällt, dürfen die Ärzte auf Kosten der Krankenkassen als Ergänzung den Westernblot bestimmen, der Banden von Bakterienantigenen nachweist und eine Hilfe bei der Einschätzung sein soll, ob eine aktive Form der Erkrankung vorliegt. Bei der Kombination von Antikörper-Bestimmung und Westernblot steigt die „Trefferquote“ auf ca. 60 – 70 %. Diese Zahlen wurden in einer Studie ermittelt, bei der im Biopsat Borrelien nachgewiesen und den Betroffenen Blut abgenommen wurde. (22)

In meiner Praxis kombiniere ich zur Diagnostik den Muskeltest der Applied Kinesiology und die Dunkelfeldmikroskopie mit Blutuntersuchungen in Speziallaboren (z.B. der EliSpot - weist auf aktuelle zelluläre Borrelien-Aktivität hin – und die Bestimmung der Anzahl der CD-57 natürlichen Killerzellen bei ArminLabs Augsburg. Während bei akuter Lyme-Borreliose und anderen Erkrankungen normale CD-57-NK-Werte gemessen wurden, weisen Patienten mit chron. Borreliose lt. Stricker et al. häufiger erniedrigte Werte auf ). Laut Dr. Armin Schwarzbach werden im Elispot Antigene mit 82 – 100% Spezifität und 84% Sensitivität verwendet. (23) Der LTT-Test vom IMD Berlin kann ebenfalls bei der Diagnostik hilfreich sein. Durch die spezielle Beleuchtung des Präparates im Dunkelfeldmikroskop kann man nicht nur sehen, ob aktuell Bakterien im peripheren Blut vorhanden sind sondern auch allgemeine Hinweise auf Stoffwechselgeschehen, die das Immunsystem schwächen können.

Antibiosen können vor allem am Anfang der Infektion hilfreich sein. Sie sollten die aktiven Bakterien bekämpfen, aber auch gegen die Persisterformen vorgehen können. Und sie müssen lange genug eingenommen werden. Die schulmedizinsch üblichen 21 Tage reichen nicht immer aus. Dr. Petra Hopf-Seidel empfiehlt 30 Tage. Oft wird Doxycyclin, Rocephin oder Amoxicilliin verordnet. Diese wirken gut gegen Spirochäten, können aber die Anzahl der Persister deutlich steigern. Intrazelluläre Bakterien werden dadurch nicht erreicht. Einige Therapeuten (Dr. Petra Hopf-Seidel, Dr. Werner Klöpfer, Stephen Harrod Buhner) empfehlen durchaus eine Kombination aus einem Antibiotikum mit weiteren Präparaten, z.B. Tinidazol mit Doxycyclin bzw. Minocyclin wegen der besseren Liquorgängigkeit oder Zithromax mit Quensyl etc. Bei chronischer Borreliose werden die Antibiotika z.T. sogar sehr lange gegeben, was die Bakterien durchaus zurück in Nischen drängt und die Symptomatik verbessert. Leider kommt es aber häufig zu einer erneuten Reaktivierung der Bakterien, sobald die Antibiose beendet wird. Bei bis zu 40% der Infizierten versagen die Antibiotika.

Das Mikrobiom im Darm, das maßgeblich zur Abwehrkraft beiträgt, wird durch die Antibiose auf jeden Fall stark in Mitleidenschaft gezogen. Bei vielen Borreliose-Patienten finde ich ohnehin durch die Einwirkung der Bakterien bereits ein Leaky-Gut (Permeabilitätsstörung des Darmepithels) – mit zusätzlichen negativen Folgen für den gesamten Körper, u.a. Allergien vom Typ IgG 1 – 3, die bei Verzehr dieser Allergene das Komplementsystem aktivieren und so irgendwo im Körper zusätzliche Entzündungen hervorrufen können. Deshalb muss der Darm mit seinen Bewohnern bei der Therapie unbedingt mitbehandelt werden!

Bei chronischer Borreliose sollte zunächst auf die Stärkung des Immunsystems und antibakterielle und ausleitende Pflanzen gesetzt werden. Die Wirkung der Phytotherapie wird sehr oft unterschätzt. Dabei gibt es Pflanzen, die sogar mit multiresistenten Keimen fertig werden! Sie haben immer mehrere Wege, um den Mikroben zu schaden - direkt antibakterielle Wirkstoffe bis hin zu Efflux-Pumpenhemmern.(24) Bei Borreliose denke ich als erstes an Andrographis-Tinktur und Artemisia annua. Hilfreich können auch Dipsacus fullonum, Cryptolepis, Alchornea cordifolia, Rizole u.a. sein.

Da die Darmbakterien durch unsere Nahrung immer wieder mit Pflanzen in Kontakt kommen, sind sie mit deren Wirkstrategien vertraut und so schont die Phytotherapie unsere Mitbewohner. Und die Pflanzen wirken nicht nur antibakteriell. Viele modulieren gleichzeitig das aus dem Takt geratene Immunsystem im Sinne einer guten Th1/Th2-Balance.(25) Dazu braucht es zusätzlich Nahrungsergänzungen an Spurenelementen, Mineralstoffen, Vitaminen und antientzündlichen Omega-3-Fettsäuren.

Wie bereits erwähnt kann ein gutes Immunsystem mit einzelnen Borrelien von allein fertig werden. Wenn es zu einer Chronifizierung kommt, liegt entweder ein zu schwaches Immunsystem vor oder es wurden durch den Vektor mehrere Erreger übertragen.

Die Therapie umfasst daher mehrere Ansätze:

- Stärkung des Mikrobioms

- Elimination auslösender Erreger so weit wie möglich

- Wiederherstellung der Energiegewinnung in den Zellen

- Auffüllen von Nährstoffdefiziten

- Modulation des Immunsystems

- Heilung von Zellschäden und Schäden der Zellmembranen

- Ausscheidung von Toxinen

Häufige Koerreger bei der Borreliose sind Chlamydien, Rickettsien, Ehrlichien (Anaplasmen), Babesien, Bartonellen, Yersinien und Mycoplasmen und Coxsackie- und Epstein-Barr-Viren.

Zu den häufigsten Koerregern gehören die Chlamydien, die aus diesem Grund hier noch näher besprochen werden sollen und die die Medizin erst seit ca. 30 Jahren als Krankheitserreger kennt. Ursprünglich wurden sie für Viren gehalten, bevor sie als gramnegative Bakterien klassifiziert worden sind. Ihre äußere Zellwand ist viel härter als bei anderen gramnegativen Bakterien. Sie ernähren sich intrazellulär von den Nährstoffen (ATP) in der Wirtszelle und werden deshalb Energieparasiten genannt. Auch ein weiterer Koerreger, Anaplasma phagocytophilum lebt vom ATP der Wirtszelle. Der daraus resultierende Energiemangel macht die Betroffenen ebenfalls sehr müde. (26)

Zusätzlich schädigen die Chlamydien die Endothelzellen der Herzkranzgefäße mit der möglichen Folge der Atherombildung sowie die Golgi-Apparate in der Wirtszelle und sie spalten mit ihrem Enzym Sphingomyelinase das Lipid Sphingomyelin an der Oberfläche der Wirtszelle. Dieses zerfällt in die Bestandteile Phosphorylcholin und Ceramid. Letztes wird mit Krebs, neurodegen. Erkrankungen, Diabetes und chronischen Entzündungen in Verbindung gebracht. (27)

Chlamydien gehören zu den ältesten und erfolgreichsten Bakterien und haben mit dazu beigetragen, dass sich Landpflanzen entwickeln konnten. Forscher haben sie in Zecken, Flöhen, Stubenfliegen und Milben gefunden. (28)

Zu dieser Gruppe gehören neun Arten mit zahlreichen Unterarten, von denen im Zusammenhang mit Borreliose zwei beachtet werden müssen: C. pneumoniae und trachomatis.

C. pneum. verursacht Symptome im Respirationstrakt, die meist mild aber hartnäckig sind. Sie wurden aber auch in atherosklerotisch veränderten Gefäßproben gefunden und verursachen evtl. auch MS, M. Alzheimer, CFS und Asthma.(29) Diese Erreger befallen neben der Lunge Leber, Herz, Gehirn sowie Augen und können die Apoptose der befallenen Zellen verhindern und so das Entstehen von Krebs, vor allem von Lymphomen begünstigen.

Laut Robert Koch Institut kann man bei bis zu 70% der Männer und 60 % der Frauen im 6. Lebensjahrzehnt einen Kontakt nachweisen.(30) Auch hier gilt: Je stärker das Immunsystem umso eher wird es von allein damit fertig. Chlamydien bewirken einen Th2-Shift des Immunsystems, so dass das sich das Immunsystem nicht adäquat gegen intrazelluläre Bakterien wehren kann.

C. trachomatis ist vor allem im Zusammenhang mit Geschlechtskrankheiten bekannt. Bei bis zu 90% der Zervixinfektionen bei Frauen und 60% der Harnröhreninfektionen bei Männern sind Chlamydien beteiligt und verlaufen häufig symptomlos. Erst bei Unfruchtbarkeit durch verschlossene Eileiter, Endometriose oder Fehl- oder Frühgeburten bei Frauen oder Prostatitis und Epididymitis bei Männern kommt ein Infektions-Verdacht auf. Einige Serotypen verursachen ein Trachom im Auge. Andere befallen gerne das Lymphsystem und infizieren Monozyten und Makrophagen und auch neurologische Symptomatiken kommen vor. (31)

Leider ist die Diagnose bei manchen Patienten ebenso schwierig wie bei der Borreliose. Nicht alle produzieren Antikörper! Deshalb kombiniere ich wieder den AK-Muskeltest mit Dunkelfeldmikroskopie bzw. dem Elispot und der CD-57-Zellen Bestimmung bei ArminLabs.

Chlamydien liegen in drei Formen im Körper vor: Als Elementarkörperchen (EK), die sehr infektiös, weitgehend stoffwechselinaktiv und extrazellulär sind, als Retikularkörperchen (RK), die metabolisch sehr aktiv sind und sich intrazellulär stark vermehren, und eine dritte Form: Die aberranten Körperchen (AK), eine intrazelluläre Dauerform mit reduziertem Stoffwechsel, die sich bei günstigen Bedingungen wieder in die EK-Form verwandelt. Die Infektion erfolgt über die Eks, die sich an die Membran der Epithelzellen haften, als Einschlüsse (Endosom) in die Zelle einschleusen und sich dort im Endosom als RKs stark vermehren. Dazu benutzen sie parasitär Stoffwechselprodukte und ATP der Wirtszelle. Anschließend wandeln sie sich wieder in Eks zurück, um sich dann aus der Zelle wieder herausschleusen zu lassen oder die Zerstörung der Wirtszelle setzt sie frei. Die AKs schädigen den Körper durch eine kontinuierliche leichte Entzündung.

Unter anderem Antibiotika, Tryptophan- und Eisenmangel und Herpes simplex-Infektionen lassen die EKs zu AKs werden, bis die Bedingungen für die Bakterien wieder so gut werden, dass sie wieder zu EKs werden. (32)

Menschen mit dem Gen HLA B27 sind besonders gefährdet, durch die AKs eine reaktive Arthritis zu bekommen. Eine gleichzeitige Conjunktivitis und Urethritis wird als Reiter-Syndrom bezeichnet.

Chlamydien infizieren immer auch die Epithelzellen der Darmschleimhaut. Sie gehören zu den Erregern, die die Tight junctions schädigen oder als Portal in den Körper nutzen. Dadurch kann es zu einer mehr oder weniger starken Aktivierung der Mastzellen kommen und zu einem erhöhten IgE (auch ohne, dass Allergene im IgE-Test ermittelt werden können) und einer Histamin vermittelten Symptomatik (z.B. Kopfschmerz, Urticaria, Schwindel, Völlegefühl, Übelkeit etc.) Deshalb veranlasse ich bei den betroffenen Patienten immer die Untersuchung auf Zonulin und die Darm-Mikrobiota.

Zur Therapie gehören bei allen chronischen bakteriellen Infektionen neben antibakteriellen Substanzen immer auch Immunmodulatoren, welche die Th1- Antwort des Immunsystems stärken und Th2 senken, wie z.B. Astragalus, Withania somnifera, Baikal-Helmkraut und Jap. Staudenknöterich etc., dazu orthomolekulare und mikrobiologische Therapie. Bei Chlamydien sollte immer auch an Salvia miltiorrhiza (Rotwurzel-Salbei) gedacht werden. Dieses Kraut stärkt und schützt die Milz und damit das Immunsystem und wirkt antientzündlich. Bidens pilosa wirkt antibakteriell und stabilisiert das Darmepithel. Kräuter, die die Golgi-Apparate schützen können sind Baikal-Helmkraut, Salvia miltiorrhiza und berberinhaltige Pflanzen. (33) Berberin wirkt eher lokal als systemisch und bekämpft die Bakterien, ohne sie zur Verwandlung in die AB-Form zu stimulieren.

Nach einer erfolgreichen Th1-Antwort des Immunsystems stoppt normalerweise Il-10 die Produktion weiterer entzündlicher Zytokine. Die „cleveren“ Bakterien regen die Il 10 Produktion schon viel früher an, damit sie bessere Überlebenschancen haben. Folgende Pflanzen senken Il 10: Withania, Süßholzwurzel, Mariendistel, Cannabis, Baikal-Helmkraut und Andrographis, Noni, Passionsblume, Brennnessel u.a. Zur Immunmodulation geeignet sind außerdem: Rhodiola,Olivenblatt, EGCG (aus Grüntee), Cordyceps, frischer Ingwer, Artemisia annua, Echtes Herzgespannkraut und N-Acetylcystein.

Neben der Phytotherapie und der Behandlung der Darmmikrobiota kommen bei allen chronischen Infektionen noch andere Verfahren zum Einsatz, wie z.B. Eigenblutbehandlung mit UVB, Enzymtherapie, orthomolekulare Therapie, Ganzkörperhyperthermie etc.

Die Diagnose und Behandlung von Patienten mit chronischen bakteriellen und / oder viralen Infektionen ist so manches Mal mühsam und meist langwierig. Manchmal dauert es einige Monate, bis die Patienten das Gefühl haben, dass es aufwärts geht. Und es wird immer wieder auch Rückschläge zwischendurch geben. Aber im Idealfall werden diese immer schwächer und seltener. In manchen Fällen dauert es sogar einige Jahre, bis die Patienten sagen: „Nun habe ich es geschafft.“

Die Infektion konnte nur chronifizieren, weil das Immunsystem zum Zeitpunkt der Infektion überfordert war. Und je mehr verschiedene Erreger gleichzeitig infiziert haben, umso schwieriger und langwieriger ist der Verlauf der Erkrankung. Aber das Durchhalten lohnt sich! Ich habe mittlerweile einige Patienten begleiten dürfen. Die Patienten bestimmen das Tempo und die Menge der eingesetzten Präparate. Denn nur der Patient selbst fühlt, wie stark die Wirkung der Pflanzen bei ihm/ihr persönlich ist. Manche nehmen nur wenige Tropfen der Tinkturen, andere nehmen deutlich mehr und fühlen sich dabei wohl.

Auf jeden Fall sind die Betroffenen sehr dankbar, wenn sie endlich eine Diagnose für ihre seltsamen Beschwerden erhalten und erfahren, dass es keine psychische Erkrankung ist.

Ich verspreche niemals, dass ich die Erreger komplett beseitigen kann. Das kann auch keine Antibiose. Dafür sind die Bakterien zu clever. Aber durch all diese Maßnahmen können die Erreger so weit zurückgedrängt werden, dass das Immunsystem damit fertig werden kann. Erst wenn dann über lange Zeit keine Symptome mehr auftreten, würde ich vermuten, dass die Infektion komplett überwunden ist. Bis dahin besteht z.B. bei zusätzlichen Infektionen oder starkem Stress immer das Risiko, dass die Beschwerden zurückkehren. Aber der Patient weiß dann, wie er wieder eine Besserung erreichen kann.

Quellenverzeichnis und weitere Informationen zum Thema:

1 Stephen Harrod Buhner: Lyme Borreliose natürlich heilen, Herba Press Verlag

2017 S. 43

2 ebenda S. 154

3 ebenda S. 136

4 ebenda S. 151

5 ebenda S. 149

6 ebenda S. 159

7 ebenda S. 50

8 ebenda S.31

9 ebenda S. 32

10 ebenda S. 103, 146, 160

11 www.pnas.org/content/106/9/3449

12 www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5969776/

13 Stephen Harrod Buhner: Lyme Borreliose natürlich heilen, Herba Press Verlag

2017 S. 156

14 ebenda S. 157, 158

15 Infomaterial vom Labor ArminLabs, Augsburg

16 Dr. Petra Hopf-Seidel: Vom Zeckenstich zur Borreliose; Journal of Professional

Applied Kinesiology, Band 3, Ausgabe 3, Jahrgang 2015, Krank nach

Zeckenstich - Borreliose erkennen und wirksam behandeln Neuauflage 2018

S. 5

17 Stephen Harrod Buhner: Lyme Borreliose natürlich heilen, Herba Press Verlag

2017 S. 92

18 ebenda S. 46

19 ebenda S. 47

20 Infomaterial vom Labor ArminLabs, Augsburg

21 Stephen Harrod Buhner: Lyme Borreliose natürlich heilen, Herba Press Verlag

2017 S. 63

22 Vortrag Drs. Straube und Bak vom Borreliosezentrum Bayerischer Wald bei

der Tagung der Interessengemeinschaft Dunkelfeld am 22.9.12 in Dreieich-

Sprendlingen

23 https://drive.google.com/open?id=1TuDDgrO8YmUDpqtS6MSL1LJa60e2RDhu 28.02

24 Dr. med. Eberhard Wormer, Stephen Harrod Buhner: Grüne Antibiotika.

Heilkräftige Medizin aus dem Pflanzenreich, Mankau Verlag 2015 S. 89

25 Infomaterial der Firma SymbioVaccin Herborn zur Autovaccine aus speziellen,

patienteneigenen E.coli, Infomaterial für Fachkreise der Firma MICROBIOTICA

zu ihren verschiedenen Produkten Innovall

PDF: Omni-Biotic® Panda - studylibde.com

https://studylibde.com/doc/2789638/pdf--omni-biotic®-panda

26 Stephen Harrod Buhner: Lyme Borreliose natürlich heilen, Herba Press Verlag

2017 S. 283

27 ebenda S. 301

28 ebenda S. 281

29 Dtsch. Ärzteblatt 2000: Marre, Reinhard; Essig, Andreas

30 www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Chlamydiosen_Teil2.html.

31 Stephen Harrod Buhner: Lyme Borreliose natürlich heilen, Herba Press Verlag

2017 S. 289

32 ebenda S. 285, 286, 297

33 ebenda S. 304

Stephen Harrod Buhner: Pflanzliche Antibiotika, Herba Press Verlag

Informationsbroschüren vom Labor ArminLabs, Augsburg

Dr. Petra Hopf-Seidel: Vortrag anlässlich der 58. Jahrestagung der Norddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin in Wolfsburg am 15.5.2009

Dr. Werner Klöpfer: Borreliosis: An Update and What AK can do; Vortrag 2016 ICAK Annual Conference August 19 – 21, Riga, Borreliose Update –Eine AK Strategie Vortrag beim Jahrestreffen der DÄGAK in Braunschweig 2018